Loriot auf der Bühne: Walter Sittler und Orchester feiern den Humor-Klassiker in Waiblingen

14September

Posted on Sep 14, 2025 by Leopold Königsmann

Loriot auf der Bühne: Walter Sittler und Orchester feiern den Humor-Klassiker in Waiblingen

Feiner Humor, großer Ton: Walter Sittler belebt Loriot in Waiblingen

Sein Humor ist seit Jahrzehnten zitierfähig, seine Figuren sind längst Teil unseres Alltags: Zum 100. Geburtstag von Loriot holt der Stuttgarter Schauspieler Walter Sittler den Klassiker des feinsinnigen Spotts als Konzert-Matinée ins Bürgerzentrum Waiblingen – gemeinsam mit dem Waiblinger Kammerorchester. Wort und Musik wechseln sich ab, unterstützen sich, treiben einander voran. Genau darin liegt der Reiz dieses Abends: Das Orchester ist nicht Kulisse, sondern Partner.

Die Idee ist so einfach wie wirkungsvoll: Sittler erzählt, rezitiert und spielt ausgewählte Szenen, während das Orchester mit pointierten Einsätzen, Zwischenstücken und kurzen Suiten die Stimmung wechselt – von leichtfüßig auf gespannt, von spröde auf verspielt. Die Sprache trägt den Witz, die Musik schärft die Pointe. Wer Loriots präzise Pausen kennt, weiß: Timing ist alles. Live wird diese Taktung hör- und sichtbar.

Warum gerade Sittler? Er beherrscht die feine Klinge. Bekannt aus Fernsehen und Theater, arbeitet er seit Jahren mit humorvollen Texten, die auf Genauigkeit in Tonfall und Blickführung setzen. Seine Herkunft aus der Schauspielschule der klaren Diktion passt zu Loriots Welt, in der ein gehauchtes „Ach“ oft mehr sagt als ganze Absätze. Dazu kommt die regionale Nähe: Sittler lebt in Stuttgart, die Wege ins Remstal sind kurz – der Draht zum Publikum auch.

Das Waiblinger Kammerorchester liefert den musikalischen Rahmen. Kammerorchester klingen oft intimer als große Sinfonieapparate – ideal, wenn es um Zwischentöne geht. Streicher lassen Stimmungen gleiten, Holzbläser setzen Nadelstiche, Blech bringt Glanz, wenn der Witz größer werden darf. So entsteht ein Dialog auf Augenhöhe: Die Musik kommentiert nicht nur, sie widerspricht, legt Fährten, überrascht – so, wie Loriot es geliebt hätte.

Loriots Stoffe kommen aus dem Alltag: Familienidylle, die kippt. Höflichkeit, die zur Groteske wird. Sätze, die sich in Schleifen drehen, bis sie sich selbst entlarven. Als Cartoonist, Regisseur und Autor (Ödipussi, Pappa ante Portas) hat er die deutsche Umgangssprache seziert – immer freundlich, nie belehrend, dafür messerscharf. Auf der Bühne lebt das besonders stark, weil Gestik und Rhythmus die Pointe mitschreiben.

„100 Jahre Loriot“ ist mehr als ein runder Geburtstag. Es ist ein Prüfstand: Hält der Humor noch? In Ausstellungen, Lesungen und Bühnenprogrammen im ganzen Land zeigt sich, dass die Beobachtungen weiterhin treffen – ob Behördenbrief, Beziehungsdialog oder Vereinsabend. Waiblingen setzt dem eine eigene Farbe hinzu: den orchestralen Klang, der die bekannten Szenen neu beleuchtet.

Das Bürgerzentrum als Spielort passt. Es ist nah am Publikum, kein steifer Kulturtempel, sondern ein offener Raum für Stadtgesellschaft. Genau dort funktioniert ein Format, das Generationen anspricht: Ältere, die Loriot seit den Fernsehsketchen lieben. Jüngere, die seine Figuren memetauglich finden. Und alle, die Sprache mögen, wenn sie elegant stolpert.

Was macht den Abend handwerklich spannend? Komik und Musik folgen ähnlichen Prinzipien: Aufbau, Verzögerung, Auflösung. Pausen sind wie Fermaten. Ein Blick ersetzt eine Kadenz. Wenn Sittler phrasiert und das Orchester den letzten Halbsatz aufnimmt, entsteht dieser Live-Moment, den keine Aufnahme nachbaut. Die Kunst liegt in der Dosierung: nie zu dick, nie zu schnell, nie zu ernst – aber ernst genug, um die Leichtigkeit zu tragen.

Wer war Loriot – und warum trifft er uns noch?

Loriot, bürgerlich Vicco von Bülow (1923–2011), wurde in Brandenburg an der Havel geboren, prägte als Karikaturist, TV-Autor, Regisseur und Schauspieler das Nachkriegsdeutschland wie kaum ein anderer Humorist. Er beobachtete Benimm, Bürokratie, Beziehungen – und entlarvte das Absurde im Normalen. Seine Figuren sind nicht bösartig. Sie sind wir, nur einen Tick zu korrekt, einen Atemzug zu umständlich.

Seine Arbeiten erhielten zahlreiche Preise, weil sie zwei seltene Qualitäten verbinden: Genauigkeit und Wärme. Man lacht – und erkennt sich. Darum funktionieren seine Texte auch in neuen Formen: gelesen, gespielt, musikalisch begleitet. In Waiblingen zeigt sich diese Wandlungsfähigkeit in einem konzentrierten Format, das die Essenz freilegt: Sprache als Musik, Musik als Sprache.

Für die lokale Kulturszene ist die Kooperation ein Signal. Ein Stadtorchester, das sich humoristischen Texten öffnet. Ein Schauspieler, der mit einem Ensemble auf Augenhöhe spielt. Und ein Publikum, das beides annimmt. So entsteht ein Abend, der Traditionspflege nicht als Nostalgie versteht, sondern als Gegenwartskunst: präzise, witzig, nah.

Wer hineingeht, wird kein nostalgisches Best-of erleben, das nur Zitate abspult. Eher eine Neuordnung bekannter Bausteine, die wieder frisch klingen: Sätze, die auf einmal anders atmen, und Themen, die im Orchesterklang ihre zweite Stimme finden. Das ist die vielleicht schönste Pointe dieser Hommage: Loriots Humor hält – gerade, weil er Platz lässt für Nuancen.

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