Georg Stefan Troller – 103‑jähriger Fernsehpionier stirbt in Paris
Posted on Sep 28, 2025 by Leopold Königsmann

Frühes Leben, Flucht und Kriegserfahrungen
Geboren am 10. Dezember 1921 in Wien, wuchs Georg Stefan Troller in einer jüdischen Familie auf, die von den politischen Umwälzungen der 1930er Jahre stark belastet wurde. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 musste er, wie Zehntausende andere, das Land verlassen, um dem Schicksal der Deportationen zu entgehen. Ein US‑Visum ermöglichte ihm 1941 die Ausreise in die Vereinigten Staaten, wo er kurze Zeit später in die Armee eingezogen wurde.
Der Krieg brachte ihm die dunkelste Episode der Moderne – am 29. April 1945 nahm er an der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau teil. Diese Begegnung mit den letzten Überresten des Holocaust prägte sein späteres Schaffen tief: Neunzehn Familienmitglieder waren in den Lagern ermordet worden, ein Trauma, das ihn lebenslang zum Chronisten menschlichen Leidens machte.
Nach dem Krieg ließ sich Troller 1949 in Paris nieder, einer Stadt, die bald zum Dreh- und Angelpunkt seiner journalistischen Laufbahn werden sollte. Paris bot ihm nicht nur ein kulturelles Netzwerk, sondern auch die Möglichkeit, sich in einer nachkrieglichen Medienlandschaft neu zu orientieren.
Karriere, Interviewstil und Vermächtnis
Seit den frühen 1960er Jahren prägte Troller das deutschsprachige Fernsehen maßgeblich. Seine erste große Sendung, das „Paris Journal“ (ARD/WDR, 1962–1971), brachte eine neue Form des Reportage‑Stils ins Wohnzimmer: persönliche Beobachtungen kombiniert mit kritischen Fragen. Darauf folgte die langjährige ZDF‑Reihe „Personenbeschreibung“ (1972–1993), in der er über 2 000 Personen interviewte – von Filmikonen bis zu politischen Leitfiguren.
Was Troller von seinen Zeitgenossen abhob, war sein subjektiver, respektvoll‑nachdrücklicher Interviewansatz. Statt zu öffnen, stellte er geschlossene Fragen; stattdessen ließ er Raum für Reflexion. Er fragte Marlene Dietrich nach dem wahren Preis des Ruhms, Ingrid Bergman nach der Quelle ihrer inneren Stärke und Konrad Adenauer nach den Grundwerten, die das Nachkriegsdeutschland tragen sollten. Die Antworten offenbarten nicht nur menschliche Schwächen, sondern auch seltene Momente echter Ehrlichkeit.
Seine Interviews reichten jedoch weit über Prominente hinaus. Er schenkte einem gelähmten Vietnam‑Veteranen ein Mikrofon, um dessen Schmerzen und Hoffnung zu dokumentieren, und ließ eine junge alleinerziehende Mutter aus dem Ruhrgebiet über ihre Träume sprechen. Durch diese Mischung aus Stars und Menschen des Alltags erzählte er ein umfassendes Bild der Gesellschaft.
- Über 2 000 geführte Interviews
- Mehr als 170 Dokumentarfilme und Fernsehbeiträge
- Mitautor der Emigrations‑Trilogie "Wohin und zurück" (1975‑1979)
- Ehrenmitglied von PEN Berlin seit 2023
- Auszeichnungen: Grimme‑Preis (1974), Bundesverdienstkreuz am Bande (1995)
Als Drehbuchautor arbeitete Troller eng mit Axel Corti zusammen. Gemeinsam schufen sie die Trilogie "Wohin und zurück", die das Thema Exil mit persönlicher Authentizität behandelte – ein Spiegel seiner eigenen Flucht und Rückkehr. Die Filme wurden in den 1970er Jahren zu Klassikern des deutschsprachigen Kinos und beeinflussten nachfolgende Generationen von Filmemachern.
Seine journalistische Philosophie war untrennbar mit Menschenrechten verknüpft. Bei PEN Berlin betonte er stets, dass Freiheit des Wortes das oberste Gut sei – ein Prinzip, das er in jeder seiner Sendungen lebte. Selbst im hohen Alter blieb er aktiv: Gespräche mit Jugendaktivisten, Debatten über digitale Medien und die Zukunft des öffentlichen Diskurses füllten seine letzten Jahre.
Der Verlust von Georg Stefan Troller ist ein Abschied von einem Zeugen zweier Welten: einem Überlebenden des Holocaust und einem Pionier des modernen Interviews. Seine Arbeit bleibt jedoch ein lebendiges Archiv, das sowohl die Geschichte als auch die menschliche Erfahrung dokumentiert. In Paris, wo er sein letztes Heim fand, hinterlässt er ein Erbe, das weit über die Grenzen des deutschen Fernsehens hinausstrahlt.